Samstag, 19. April 2008

Religionskritik ohne Gegenstand?

Grade habe ich einen Artikel bei Telepolis gelesen, der mich an der Kompetenz der Autorin zweifeln liess. Ich gehe normalerweise davon aus, dass bei TP auch die Autoren, die über gesellschaftliche Themen schreiben, nicht komplett ignorant sind, was das Internet angeht. Doch nach diesem Artikel kommt bei mir leiser Zweifel daran auf.
Religion und Religionskritik sind nun mal zwei Themen, die mich stark interessieren, daher ist ein Untertitel wie “Die Mode mit der Religionskritik” geeignet um mich zum lesen zu bringen. Der Anfang ist dann auch recht harmlos und äussert ein Unverständnis gegenüber zwei aktuellen Tendenzen: zum einen gegenüber der radikalen Religionskritik und zum anderen gegenüber einer “Rückkehr der Religion”. Mit diesem Unverständnis steht die Autorin nun nicht alleine da. Meiner Meinung nach sind auf beiden Seiten radikale, übertriebene Tendenzen zu beobachten. Im Folgenden jedoch müht sich die Autorin, zu belegen, dass es das Objekt der neuen Religionskritik gar nicht gibt. Sie meint nachzuweisen, dass die neuen Religionskritiker ins Leere hinein argumentieren. Zunehmend kam mir der Verdacht es mit einer typischen “christlichen” Schreiberin zu tun zu haben. Dieser Verdacht wurde dann zu einer Gewissheit, als der Religionsbegriff der Religionskritiker in Fadenkreuz genommen wurde:
Gerade das Wissen scheint so manchem Religionskritiker aber abhanden gekommen. Bezeichnet Misik etwa allen Ernstes auch diejenigen als “religiös“, die im Namen einer Religion fundamentalistisch vorgehen, ohne die leiseste Ahnung zu haben, was ihre eigenen sakralen Texte tatsächlich vorgeben, so wird es hochemotional und entsprechend gefährlich. Eine solche Definition von Religiosität hieße, dass Religion nichts mehr mit den heiligen Texten und Geboten zu tun hat.
Wen bitte schön sollte man denn sonst religiös nennen? Nur diejenigen, die eine genaue Kenntnis der jeweiligen “heiligen Texte” haben? Da wird die Luft aber sehr dünn.
Dann hätte es im christlichen Mittelalte kaum Christen in Europa gegeben, denn nur die wenigsten konnten die Texte lesen oder die Predigten verstehen. Ausserdem wären dann viele Glaubensvorstellungen nicht religiös, einfach, weil sie keine “heiligen Texte” haben, oder diese nur den Priestern offenstehen. Schamanistische Gemeinschaften zum Beispiel wären keine Religion.
Warum glaube ich nun, dass es sich um eine “christlichen” Schreiberin handelt? Nun bisher ist mir nur bei Christen und Moslems die Tendenz aufgefallen nur diejenigen als jeweils “christlich” oder “muslimisch” zu bezeichnen, deren Religion übereinstimmt mit dem, was diese Leute meinen “eindeutig” in ihren “heiligen Texten” zu finden. Christentum ist dann eindeutig pazifistisch und reine Nächstenliebe ... Im Mittelalter haben Christen zwar andere Aspekte der Bibel als zentral erachtet(Krieg den Ungläubigen und Töten von Hexen lässt sich eben auch biblisch begründen.), aber die haben sich dann geirrt und ihre Religion war wohl doch kein Christentum. So kann man sich natürlich Religion schönreden. Aber selbst mit einer so verengten Sicht, bei der die Frage bleibt, wie man Fundamentalismus kritisieren soll, wenn nicht im Rahmen einer Religionskritik, würde ich erwarten, dass ein Autor von TP mal wenigstens über Trends wie ID informiert ist. Wer sich einmal mit diesen Debatten beschäftigt hat, der wird kaum in Frage stellen können, das es eine Rückkehr irrationaler und für demokratische(also auf der Vernunft der Bürger beruhende) Gesellschaften sogar gefährlicher Fundamentalismen gibt.
Wie gesagt, der Anfang versprach gut zu werden: Religion, die anderen nicht ihre Lebensweise aufzwingt ist tatsächlich gut, aber es ist eben nicht sonderlich hilfreich, Tendenzen einfach zu ignorieren, Religion anders zu verstehen.
Hier ein Beispiel für die unangenehme Kombination von Dummheit und Aggressivität mit der die “neue Religiösität” daherkommen kann: Dawkinswatch
Und hier ein Blog der immer recht sachlich(auch nicht selbstverständlich) aus naturwissenschaftlicher Perspektive über ID berichtet: Evil under the Sun
Bleibt locker, das hilft!
Euer A.

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